Veröffentlicht am: 28.02.2023 | Bearbeitet am: 18.07.2023 | Autor: A. Bogen

Schnell erklärt: Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst 2023

Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst sind in vollem Gange. Gerade wurde die zweite Tarifverhandlungsrunde ohne wirklichen Fortschritt abgeschlossen. Immerhin gab es aber ein konkretes Angebot durch die Arbeitgeberseite.

Wir verraten in diesem Beitrag alles, was man zu den aktuellen Tariferhöhungen rund um die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst (TVöD) für 2023 in Deutschland wissen muss:

Worum geht es bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst 2023?

Im Schnitt finden in Deutschland knapp alle zwei Jahre Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst statt, bei denen neu – und oftmals sogar rückwirkend – über die Gehälter der knapp 2,5 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen sowie anderen öffentlichen Arbeitgebern verhandelt wird.

Die besondere Herausforderung bei den aktuellen Tarifverhandlungen: Im Jahr 2022 ist die Inflation in Deutschland auf ein historisches Hoch gestiegen. Die Verbraucherpreise stiegen um durchschnittlich 7,9 Prozent, wie das Statistische Bundesamt erst Anfang Januar 2023 mitteilte.

Insbesondere die extremen Preisanstiege bei Energieprodukten und Nahrungsmitteln seit Beginn des Kriegs in der Ukraine trieben die Inflation in die Höhe, erklärten die Statistikexperten des Bundes. Damit wurde sowohl die alte Rekordmarke für Westdeutschland von 7,6 Prozent aus dem Jahr 1951 als auch die Inflationsrate von 2021 von 3,1 Prozent deutlich überschritten.

Gleichzeitig haben der Bund und die Kommunen bereits vor Beginn der Verhandlungen mehrfach auf die nach fast drei Corona-Jahren extrem klammen öffentlichen Kassen hingewiesen.

Welche Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind betroffen?

Kommt es irgendwann zu einer Einigung bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst 2023, hat diese eine direkte Auswirkung auf die rund 134.000 Tarifbeschäftigten des Bundes sowie auf die knapp 2,4 Millionen Tarifbeschäftigten der kommunalen Arbeitgeber, die unter dem Dach der VKA (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) zusammengefasst sind.

Ausnahmen bestätigen auch im öffentlichen Dienst die Regel

Nicht betroffen von den aktuellen Verhandlungen sind dagegen die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Länder. Denn für sie gilt fast überall der gesonderte Tarifvertrag TV-L. Außer in Hessen, das mit dem TV-H einen eigenen Tarifvertrag mit seinen Arbeitnehmern geschlossen hat.

Ebenfalls nicht betroffen sind diejenigen Beschäftigtengruppen, für die der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) nicht gilt. Hierzu gehören beispielsweise:

  • Beamtinnen und Beamte
  • Richterinnen und Richter
  • Soldatinnen und Soldaten

Deren Arbeitsbedingungen einschließlich der Besoldung sind nämlich nicht tarifvertraglich, sondern gesetzlich geregelt. Zwar gelten die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst für gewöhnlich auch für diese Gruppen als richtungsweisend. Doch ob und wann dem auch dieses mal so sein sollte, liegt allein im Ermessen des Gesetzgebers.

Was sind die Forderungen der Gewerkschaften um ver.di, dbb & Co?

Bereits im September 2022 haben Gewerkschaften wie ver.di und der Deutsche Beamtenbund (dbb) ihre Forderungen für die rund 2,5 Millionen Tarifbeschäftigten von Bund und Kommunen bekannt gegeben.

Zusammengefasst waren das:

  • eine Entgelterhöhung von 10,5 Prozent oder
  • mindestens 500 Euro pro Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten

Entlastung für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in unteren Entgeltgruppen soll höher ausfallen

Durch die Festlegung eines Mindestbetrags von 500 Euro pro Monat sollte sichergestellt werden, dass vor allem die unteren Entgeltgruppen einen prozentual höheren Gehaltsanstieg erhalten würden. Dieser könnte dann für die untersten Gehaltsgruppen eine Steigerung von mehr als 20 Prozent bedeuten. Vorausgesetzt, die Streitparteien einigen sich auf den geforderten Mindestbetrag.

Mehr Geld für Berufseinsteiger und Young Professionals im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen

Neben den Tarifbeschäftigten sollten dem Willen der Gewerkschaften zufolge auch Auszubildende, Studierende sowie Praktikantinnen und Praktikanten von den Forderungen profitieren. Sie sollten daher monatlich 200 Euro mehr erhalten.

Wie laufen die Tarifrunden im Frühjahr 2023 ab?

Die Tarifrunden im Rahmen der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst finden im Laufe des Frühjahrs 2023 statt. Die Verhandlungstermine waren für den 24. Januar, den 22. und 23. Februar sowie für den Zeitraum vom 27. bis zum 29. März angesetzt.

Die erste Verhandlungsrunde im Januar blieb zunächst ergebnislos. Im Laufe des zweiten Schlagabtauschs Ende Februar 2023 legten die Arbeitgeber schließlich ein Angebot vor, das bei den Gewerkschaften jedoch auf heftige Kritik stieß.

Das Angebot sah eine lineare Entgelterhöhung von insgesamt fünf Prozent in zwei Schritten vor (drei Prozent zum 1. Oktober 2023 und weitere zwei Prozent zum 1. Juni 2024). Zudem sollten alle Beschäftigten eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichszahlung in Höhe von insgesamt 2.500 Euro (Auszubildende 1.250 Euro) erhalten, aufgeteilt in eine unmittelbare Auszahlung von 1.500 Euro sowie eine weitere Auszahlung von 1.000 Euro im Jahr 2024. Die Jahressonderzahlung sollte ebenfalls angehoben werden.

Gewerkschaften halten an Forderungen fest und drohen mit Warnstreiks

Die Gewerkschaften reagierten jedoch alles andere als zufrieden auf das Angebot und bezeichnen es als "Frechheit". Sie bemängelten unter anderem, dass

  • kein Mindestbetrag vorgesehen und
  • die Laufzeit des Angebots mit 27 Monaten zu lang sei.

Auch das Gesamtvolumen des Angebots stuften die Gewerkschaften als deutlich zu gering ein, um den Forderungen nach angemessenen Gehaltserhöhungen und Inflationsausgleich gerecht zu werden.

Was ist realistisch (und in welcher Höhe) für die Beschäftigten zu erwarten?

Sowohl die ursprünglichen als auch die aktualisierten Forderungen der Gewerkschaften sind ambitioniert, keine Frage. Allerdings spiegeln sie weitestgehend einfach die tatsächlichen Bedürfnisse vieler Beschäftigter im öffentlichen Dienst wider.

Eine deutliche Erhöhung der Gehälter, beispielsweise um den oben genannten Mindestbetrag von 500 bzw. 200 Euro pro Monat, würde dazu beitragen, die größten Auswirkungen der enormen Preissteigerungen im letzten Jahr aufzufangen. Zudem wäre es (wohl nicht nur aus Sicht der Gewerkschaftsbosse) sehr zu begrüßen, wenn die Schere zwischen den verschiedenen Entgeltgruppen verkleinert - und somit für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen – würde.

Es bleibt auch nach der zweiten Verhandlungsrunde im Februar 2023 also abzuwarten, wie die Arbeitgeberseite auf die Forderungen der Gewerkschaften – und den damit einhergehenden Arbeitskampf in Form zahlreicher Warnstreiks – reagieren wird.

Wir gehen nach aktuellem Wissensstand allerdings davon aus, dass man sich letztendlich irgendwo in der „Mitte“ zwischen den bekannten Maximalforderungen der Gewerkschaften und dem Februar-Angebot der öffentlichen Arbeitgeber aus Bund und Kommunen treffen wird.

Was passiert, wenn sich die Parteien nicht einigen können? Gibt es Streiks?

Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern sich die Positionen der Tarifparteien in den weiteren Verhandlungsrunden annähern und ob eine Einigung erzielt werden kann. Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst dürften nach dem Scheitern der zweiten Tarifrunde jedoch deutlich spürbare Auswirkungen auf das öffentliche Leben in ganz Deutschland nach sich ziehen.

So sind zunehmende Warnstreiks durch Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, wie beispielsweise

  • im öffentlichen Nahverkehr,
  • in kommunalen Verwaltungen und Ämtern,
  • in kommunalen Kitas und anderen Einrichtungen,

sehr wahrscheinlich.

Und wenn auch die dritte Tarifrunde ergebnislos endet oder die Tarifverhandlungen am Ende komplett scheitern?

Wenn auch in der dritten Tarifrunde bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst 2023 keine Einigung erzielt wird, könnte es zu verschiedenen Szenarien kommen.

  1. Weitere Tarifverhandlungen mit zusätzlichen Tarifrunden

    Eine Möglichkeit wäre, dass einfach weitere Verhandlungen und Tarifrunden angesetzt werden, um eine Einigung zu erzielen. Sollte eine der Parteien die Tarifverhandlungen allerdings offiziell abbrechen, könnte es schwierig werden, an den gemeinsamen Verhandlungstisch zurückzufinden.

  2. Flächendeckende, umfassende Warnstreiks im öffentlichen Dienst 2023

    Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Gewerkschaften um ver.di und dbb zu Streiks aufrufen. Wenn sich die staatlichen Arbeitgeber und die Gewerkschaften nicht auf eine Lohnerhöhung oder andere Arbeitsbedingungen einigen können, sind umfangreiche Streikmaßnahmen wohl nicht mehr zu verhindern. Solche Streiks können dabei verschiedene Formen annehmen, von kurzen Warnstreiks bis hin zu langfristigen Arbeitsniederlegungen.

  3. Neue Tarife ohne Zustimmung der Gewerkschaften

    Theoretisch wäre es allerdings auch möglich, dass die öffentlichen Arbeitgeber einseitig neue Arbeitsbedingungen und Gehälter für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im Bund und bei den Kommunen festlegen, ohne eine Einigung mit den Gewerkschaften zu erzielen. Einen solchen Schritt halten die meisten Experten und Expertinnen allerdings für relativ unwahrscheinlich. Vollkommen unmöglich ist er aber nicht.

Werden die Erhöhungen ausreichen, um die Inflation auszugleichen?

Ob die letztendliche Tarifeinigung im Ringen um eine Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Dienst ausreichen wird, um die hohe Inflation seit 2022 auszugleichen, ist ungewiss. Es sieht allerdings nach der zweiten Verhandlungsrunde so aus, als ob beide Seiten daran interessiert wären, ihr Möglichstes dafür zu tun. Bleibt abzuwarten, wo man sich schlussendlich trifft.